Der Beitrag, der zum Nachdenken anregte
In meinem Facebook-Feed wurde ein Beitrag angezeigt, der mich erneut darin bestätigt hat, wie egoistisch der Mensch handeln kann. Wehe, etwas oder jemand entspricht nicht der Norm – dann ist aber was los. Der Umgang mit Menschen mit speziellen Bedürfnissen ist immer noch mit vielen Missverständnissen belegt.
Der Wunsch nach Normalität – Ein Missverständnis
Immer wieder lese ich, dass auch Kinder mit speziellen Bedürfnissen „normal“ behandelt werden wollen und dass man diese gefälligst in Gruppen integrieren soll. „Aber das muss sie/er lernen!“ und ähnliche Sätze höre ich immer wieder. Was soll das? Warum sollen sich Menschen mit einer Behinderung um jeden Preis „normal“ verhalten? Hey, Leute, es gibt einfach Unterschiede. Ich bin anders, ich bin nicht „normal“. Nur weil man meint, zu wissen, wie man mit den „Anderen“ umgehen soll, heißt das noch lange nicht, dass es auch richtig ist.
Das Recht auf Individualität
Mehr noch, wer gibt Ihnen das Recht, uns „andersartigen“ Menschen „normal“ zu behandeln, ohne uns nach unseren Bedürfnissen zu fragen? Ich will keine laute Musik, weil mir diese Schmerzen bereitet. Umarmungen möchte ich keine, weil ich keine Nähe ertrage. Ich will keine großen gesellschaftlichen Anlässe, weil ich Panik bekomme. Smalltalk, verstehe ich schlicht und einfach nicht. Ich will keine Küsschen auf die Wange, weil mich das ekelt. Zwischen den Zeilen lesen kann ich nicht, ich verstehe es nicht. Ich kann keine Gefühle in Gesichtern erkennen. Es geht nicht. Indem man mich „normal“ behandelt, fügt man mir Schmerzen zu und quält mich.
Missverständnisse und falsche Interpretationen
Oft höre ich an dieser Stelle, dass ich ganz schön verbittert sei. Das entspricht nicht der Wahrheit. Heute teile ich meine Bedürfnisse und meine Defizite einfach direkt mit. Wenn ich sage, dass ich keine Umarmungen mag, wird das oft so interpretiert, dass ich arrogant sei. Das habe ich jedoch nie gesagt. Es ist schlicht und einfach eine Tatsache, dass ich dies nicht möchte. Das hat nichts mit meinem Gegenüber zu tun, ob ich die Person mag oder nicht. Es ist schlichtweg ein Grundbedürfnis meinerseits. Möchten Sie vielleicht stundenlang Unterschiede bei Computerprozessoren katalogisieren? Oder stunden-, manchmal tagelang darüber nachdenken, wer wir sind? Tagelang Briefmarken nach Farbe, anschließend nach Wert und schließlich nach Ländern sortieren? Mir machen solche Dinge sehr viel Spaß. Für die meisten von Ihnen wäre es der blanke Horror, dies tagelang zu tun. So haben Sie Ihre Stärken und ich meine. Gemeinsam könnten wir viel erreichen, wenn ich mich nicht „normal“ verhalten müsste, sondern ganz so sein dürfte, wie ich bin.
Die Forderung nach Anpassung – Eine unfaire Erwartung
Lustig sind dann die Zeitgenossen, die fordern, dass ich mich doch auch anpassen solle. Wie denn? Mir fehlen gewisse Fähigkeiten. Niemand verlangt von einer querschnittgelähmten Person, dass diese auf einen Baum klettern soll. So ist es auch bei mir. Wie soll ich mich anpassen, wenn ich Gesichter gar nicht lesen kann? Wenn ich Nähe nicht ertrage? Mich laute Geräusche so erschrecken, dass ich stundenlang Kopfschmerzen habe? Ich schlichtweg nicht zwischen den Zeilen lesen kann?
Leben und Leben lassen
Es ist wie so oft: Ich lasse Ihnen Ihr Leben. Lassen Sie mich einfach so, wie ich bin. Wenn Sie sich nicht sicher sind, dann fragen Sie. Fragen Sie aber bitte mich und nicht irgendwelche Menschen mit sehr viel Meinung und wenig Ahnung. Ich bin hier, ich kann sprechen und bin nicht dumm. (Dass selbst Ärzte in eine Kleinkindersprache verfallen, wenn eine ASS-Diagnose vorliegt, ist ein Thema für einen weiteren Beitrag). Ich habe ganz einfach nur ein anderes „Betriebssystem“.
Ein Dankeschön für Ihre Geduld
In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Geduld mit meinen speziellen Bedürfnissen. Sie erleichtern mir mein Leben ungemein und Ihres gleich mit, da ich Ihnen so nicht auf die Nerven gehe.
Disclaimer:
Die Beiträge bilden nur meine Meinung ab. Sie haben Ihre eigene – großartig! Wir können alle Freunde sein.