Lange Wartezeit auf den Abklärungstermin
Die Wartezeit für einen Abklärungstermin für eine ASS (Autismus-Spektrum-Störung) beträgt normalerweise 15 Monate. Mein Erstgespräch fand im Februar statt, also habe ich frühestens 2023 mit einem Termin für die Diagnose gerechnet. Erfahren Sie etwas über meine Erfahrungen mit der ASS-Diagnose und den Testungen, welche in der UPD Bern durchgeführt worden sind.
Überraschende Einladung zum kurzfristigen Termin
Die E-Mail vom Dienstag hat mich ziemlich aus der Fassung gebracht. Es wäre am nächsten Tag ein Termin frei, und es handle sich um eine einmalige Chance. Dies mag wohl so sein, aber für mich ist es ein absoluter Horror, solche Dinge ohne Vorbereitung anzugehen, zumal auch ein Umzug vorgesehen war und ich diesbezüglich Pläne erstellt hatte. Obwohl sich jede einzelne Faser in meinem Körper dagegen gesträubt hat, habe ich zugesagt.
Nervosität und frühe Ankunft
Am nächsten Tag ging es zur Abklärung. Da ich mich in keiner Weise vorbereiten konnte, war ich unglaublich nervös. Unzählige Szenarien gingen mir durch den Kopf, was alles schiefgehen könnte. Durch die kurzfristige Einberufung habe ich mir selbstverständlich einen Zug ausgesucht, der 1,5-fach hätte ausfallen können, und der Termin hätte trotzdem gepasst. Da, wie üblich, nichts schiefgegangen ist, bin ich also eine Stunde und acht Minuten zu früh in Bern angekommen. Für mich also völlig normal, und ich habe mich langsam entspannt.
Orientierungsschwierigkeiten trotz Navi
In der Zwischenzeit habe ich die Zeit genutzt, um Mails zu bearbeiten, und mich dann pünktlich zur Anmeldung begeben. Übrigens: Es ist wirklich nicht schwierig, die Räumlichkeiten der Abklärungsstelle zu finden. Trotzdem benötige ich dazu ein Navi. Selbst nach 40 Jahren in der Schweiz ist es für mich absolut möglich, mich in Bern hoffnungslos zu verlaufen. Ich habe den Orientierungssinn einer Brieftaube, die am Straßenrand liegt. Und die überfahren wurde. Vor drei Tagen.
Freundlicher Empfang und erste Befragung
Die beiden Damen, die mich in Empfang genommen haben, waren sehr nett und freundlich. Anscheinend sind sie es gewohnt, mit Menschen wie mir zu arbeiten, denn sie haben angenehm leise gesprochen. Eine Wohltat! Hier scheinen Profis am Werk zu sein, heutzutage eine Seltenheit.
In der ersten Phase haben die beiden mich zu verschiedenen Bereichen befragt, die nach meiner ersten Sitzung noch unklar gewesen waren, und zu weiteren Dingen, die sie zu interessieren schienen. Zum Beispiel, was mich im Raum störe. „Vieles“, habe ich knapp geantwortet. Kabel, die lose herumhängen, Flaschen, die nicht aufgereiht sind, Stühle, die schief herumstehen, ein Loch in der Wand, zwei Risse und Dokumente, die nicht geordnet sind. Beim Rest handelte es sich um verschiedene Präzisierungen meiner Aussagen aus dem Erstgespräch.
Herausfordernde Testungen und ernüchternde Ergebnisse
Meine Erfahrungen mit der ASS-Diagnose und den Testungen begann, mit einigen Herausforderungen und ernüchternden Ergebnissen. Anhand von Fotos sollte ich Gesichter deuten, also ob diese überrascht, traurig, verärgert, usw. seien. Ich dachte, dass ich dies einigermaßen beherrsche. Tja, denken ist nicht wissen. Ich bin durchgerasselt, wenn auch nicht ganz so arg wie später. Gesichter zu deuten ist nicht unbedingt eine meiner primären Stärken. Der nächste Test entpuppte sich dann als absoluter Horror: Gefühle anhand von Augenausschnitten aus Gesichtern deuten. Wer zum Teufel kann das denn? Geschlagene 45 Minuten plagte ich mich. Wollen Sie das Ergebnis wissen? 8 Punkte – von 36 möglichen. Ich kam mir vor wie die Schweiz beim Eurovision Song Contest. 8 Punkte! Das ist richtig wenig. Ich fragte die Dame, die den Test durchführte, wie lange sie denn für den Augen-Test gebraucht habe. „15 Minuten“, antwortete sie. Da kommt man sich doch etwas blöd vor. Nun ja, aus einem Grund bin ich da und lasse diese Tests durchführen. Der nächste Test war eher leicht, da ich die gesellschaftliche Situation erfassen konnte, die mir gerade anhand eines Videos aufgezeigt wurde. Mit 40 Jahren Lebenserfahrung ist mir das ganz gut gelungen, auch wenn ich die Situationen ehrlich gesagt gar nicht verstanden habe. Ich wusste nur, dass Menschen sich in den angegebenen Situationen entsprechend verhalten. Das Video war übrigens sehr gestellt und sterbenslangweilig.
Erschöpfung und Nachdenken nach der Sitzung
Nach zwei Stunden Fragerei und Testerei machte ich mich auf den Weg nach Hause. Alter Falter, was war ich platt. Ich freute mich nur noch auf meine eigenen vier Wände. Die Erfahrungen mit der ASS-Diagnose und den Testungen waren anstrengend und doch lehrreich.
Diese ganze Fragerei hat mich doch nachdenklich gemacht. Der „normale“ Homo sapiens kann auch nicht zu 100 % die Gefühle aus den Augen lesen. Also sind unnötige Konflikte vorprogrammiert. Es wird irgendetwas in eine Mimik hineininterpretiert, was die andere Person so nie gesagt hat. Frei nach dem Motto: Ich winke der Nachbarin, diese winkt nicht zurück, weil sie es nicht sieht. Sie ist gerade in ein Telefonat vertieft. Und ich bin dann darüber sauer, dass sie mich ignoriert. So schnell geht es. Aus diesem Grund verstehe ich Menschen überhaupt nicht, die Probleme einfach totschweigen. Das blockiert jeglichen Fortschritt. Konflikte sind dazu da, diese zu lösen. So kommen wir weiter und verbessern uns.
Mein Tipp: Sprechen Sie offen über Probleme
Mein Tipp: Interpretieren Sie nicht zu viel, sondern fragen Sie nach. Sprechen Sie mit den Menschen. Es macht das Leben bedeutend einfacher.
Disclaimer:
Die Beiträge bilden nur meine Meinung ab. Sie haben Ihre eigene – großartig! Wir können alle Freunde sein.