Autistische Kommunikation: Hürden & Missverständnisse in der sozialen Interaktion und wie sie bewältigt werden können.
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Die Herausforderung der Kommunikation

Wenn ich mit anderen Menschen Konversation betreibe, begebe ich mich in ein Minenfeld. Welcher Satz verletzt mein Gegenüber? Was wird hineininterpretiert, was ich gar nicht gesagt habe? Was ist unpassend? Es fühlt sich für mich als diagnostizierten Autisten so an, als würde ich mich im dichtesten Nebel auf einer Alm in unbekanntem Gelände bewegen. Die autistische Kommunikation ist voller Hürden und Missverständnisse.

Missverständnisse in der Kommunikation

Mir ist es schleierhaft, wie man in simple Sätze fünf Millionen Dinge hineininterpretieren kann. Ich sage alles so, wie ich es meine, ohne Hintergedanken. Ich hege keine politischen Absichten. Mir sind die Meinungen von anderen komplett egal. Ich verstehe mich stets als Neutrum und versuche, alle Situationen und Begebenheiten aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten. Seien es Kriege, Pandemien, Politik, Nachrichten – alles hat immer zwei Seiten. Dass ich alles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachte, sehen meine Mitmenschen nicht ein. Dümmliche Sätze wie „Du musst Dich entscheiden!“ oder „Du musst eine Meinung haben!“ zeigen nur die Ignoranz des Gegenübers auf. Dass ich eine andere Meinung habe als die meisten, zeigt lediglich, dass ich differenzierter und mit mehr Distanz Dinge betrachte als der „normale“ Homo Sapiens. In der Regel führen meine Ausführungen mit ausführlichem Aufzeigen von Kausalzusammenhängen und Korrelationen beim Gegenüber zu einem Ausspruch der Verwunderung: „Ach so, das habe ich nicht gewusst.“

Direkte Kommunikation und ihre Folgen

Und wenn jemand seinen Job nicht macht, dann sage ich das. Direkt, ohne Umschweife. Warum das Gegenüber anschließend beleidigt ist, verstehe ich nicht. Es ist ein Fakt. Es ist einfach so. Die simple Konsequenz, wenn etwas nicht getan wird. Fehler können passieren, aber warum diese immer gleich persönlich genommen werden, kann ich nicht verstehen. Hinstehen, Fehler bereinigen, Hand reichen – alles gut. Es wäre so einfach. Die Menschen machen sich ihr Leben unnötig kompliziert. Ganz ehrlich? Diejenigen, die nach drei Monaten immer noch die Straßenseite wechseln, haben echt ein Problem mit sich selbst.

Die Schwierigkeit, subtile Signale zu erkennen

Da ich weiß, dass ein Satz von Menschen in 1.000 verschiedene Richtungen gedeutet werden kann, bin ich immer extrem unter Spannung, wenn ich konversiere. Dazu kommt, dass mir die Gesichtsausdrücke von Menschen in der Regel nichts sagen. Flirten Sie so einmal. Ich sage Ihnen, es ist lustig. Allerdings nur für die Beobachter, für die Beteiligten ist es im Moment eher peinlich. Nennen wir es „Fettnäpfchen-Bingo“. Ich ecke dauernd an, unbeabsichtigt, auch wenn ich mir die größte Mühe gebe. Ich will nichts Böses, ganz im Gegenteil.

Diskriminierung im Alltag

Interessant ist auch, dass ich als vermuteter Autist von meinen Mitmenschen tagtäglich diskriminiert werde, weil sie mich nicht verstehen. Klar, es passiert unbeabsichtigt. Doch es passiert. Bereits der Satz: „Rufen Sie mich an“, ist für mich schlicht Horror, weil ich die größte Mühe habe zu telefonieren. Ich muss immer lächeln, wenn ich wieder etwas über Diskriminierung lese, dass das gar nicht geht. Wirklich? Warum werde ich dann tagtäglich mit lauter Musik in Einkaufszentren, Telefonmarketing, Berührungen, etc. gequält? Jeden Tag. Wenn ich meinen Mitmenschen mitteile, dass ich mich beim Telefonieren nicht wohlfühle, werde ich mit komischen Blicken gemustert oder mit Aussagen konfrontiert, dass ich mich nicht so anstellen solle. Würden Sie einem gehbehinderten Menschen sagen, er solle einmal hochspringen? Nicht, oder? Das wäre ungeheuerlich. Warum tun Sie es dann bei mir? Denken Sie einmal darüber nach. Nicht wegen mir – mir tut sowas nicht weh, ich wundere mich nur.

Ein Appell für mehr Verständnis

Wie bereits mehrfach geschrieben, sind wir nicht laut. Wie auch, wir mögen das nicht. Also schreibe ich, um die Menschen zu erreichen. Vielleicht ändert sich etwas. Es wäre wunderbar, wenn ich über autistische Kommunikation und deren Hürden und Missverständnisse aufklären könnte.

Disclaimer:
Die Beiträge bilden nur meine Meinung ab. Sie haben Ihre eigene – großartig! Wir können alle Freunde sein.