You are currently viewing Meltdowns – Eskalation der Verzweiflung
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Lasst mich alleine! Ich werde laut, knalle mit der Faust auf den Tisch. So heftig, dass die Hand ein paar Tage schmerzt. Es ist soweit: Ich verzweifle und kann nicht mehr.

Jeden Tag das gleiche Spiel: Ich bin mit einer Arbeitsgeschwindigkeit ausgestattet, die für andere unvorstellbar ist. Gemäss meiner Abklärung bin ich mit 800 – 1’200 % gegenüber neurotypisch normalen Menschen unterwegs. Das erklärt auch, dass der Webshop, welchen ich nebenbei betreue, so umfangreich ist. Meistens wird der Satz: “Wann machen wir das?” mit “Schon erledigt” von meiner Seite gekontert. Alles ist so langsam! Niemand hält Schritt. Es kommt mir vor, als würde ich nonstopp sabotiert und ausgebremst. Alles muss man selber erledigen, weil sich ansonsten alles in die Länge zieht. Ja, ich weiss, es ist unfair gegenüber anderen. Aber ich bin nicht wie die anderen. Aus diesem Grund arbeite ich meist alleine, damit ich Niemanden vor den Kopf stosse und mein Tempo halten kann.

Doch irgendwann kommt der Punkt, wo alles zuviel ist. Fragereien, nicht eingehaltene Termine, Versprechungen entpuppen sich als Worthülsen, die Vorfahrt wird genommen, Shutdown beim Einkaufen und an unten an der Rolltreppe stehen die Bremser. Ich werde überall ausgebremst und kann mein Tempo nicht halten. Frust ohne Ende, tagtäglich. Wenn sich das für ein paar Tage so hinzieht, reicht es, wenn mir als Krönung ein Schlüssel runterfällt oder eine Tür nicht richtig schliesst.

Es kommt zum Meltdown, der Kernschmelze. In dieser Phase werde ich laut und füge mir oftmals selbst Schmerzen zu. Es ist ein Zwang, ich muss mir weh tun. Aussenstehende sehen dies als Aggression, doch das ist nicht der Fall. Ich füge MIR Schaden zu, niemals jemand anderem. Ich verzweifle schlicht an der Welt, weil sie mich bremst, mir weh tut, mich ausbrennen und erschöpfen lässt. In diesem Moment wünsche ich mir, dass diese Welt aufhört sich zu drehen. Das einfach alles aufhört. Keine Lichter, keine Geräusche. Nur noch Ruhe, Dunkelheit und ich mit mir. Unter einer Decke, unter einem Tisch, in einer Ecke. Nicht ansprechbar. Hauptsache allein.

Meltdowns sind der ultimative Overload an Eindrücken und Gefühlen. Ich erachte die Meltdowns als eine Art Selbstschutz, um nicht komplett durchzudrehen. Durch die völlige Überforderung an Eindrücken und Gefühlen schaltet das Gehirn in diesen Modus, um alles und jeden von mir fernzuhalten. Damit ich Ruhe finde, alle Abstand halten und ich endlich herunterfahren kann. Nach einem Meltdown wäre es eigentlich notwendig, mich eine Weile komplett zurückzuziehen. Zur Ruhe kommen, die ganzen Eindrücke in meine Schubladen im Gehirn einordnen. Doch in der Gesellschaft ist das nicht vorgesehen. Also gehe ich am nächsten Tag wieder in den Alltag. Der nächste Meltdown ist so bereits vorprogrammiert. Ich kann nichts dagegen tun. Gesund ist das nicht und meine Erschöpfung wird jeden Tag grösser.

Wo Licht ist, ist auch Schatten. So ist es. Ich kann es nicht ändern, es ist meine Behinderung. Es ist ein Teil von mir.

Haben Sie einen schönen Tag und haben Sie Spass. Denn es könnte auch anders sein.

Disclaimer:
Die Beiträge bilden nur meine Meinung ab. Sie haben Ihre eigene – grossartig! Wir können alle Freunde sein.