Meine Reise nach der Diagnose
Was passierte mit mir nach der Diagnose „Autismus-Spektrum-Störung“? Eine ganze Menge. Auf das meiste war ich nicht vorbereitet, da ich mir eingeredet hatte, das sei ja nur eine Diagnose. Ich habe mich geirrt. Und wie. Mein Weg nach der Autismus-Diagnose und über Identität und Authentizität.
Die Suche nach der Wahrheit
Mein ganzes Leben lang habe ich gespürt, dass ich anders bin als die anderen. Mit 41 Jahren habe ich endlich die Fachkompetenz in Bern gefunden, bei der ich eine Autismus-Abklärung machen konnte. Endlich war ich in den richtigen Händen. Über Monate hinweg fanden verschiedene Tests und Gespräche statt. Dann kam die offizielle Diagnose: Autismus-Spektrum-Störung, kurz ASS.
Der Tag der Erkenntnis
Der Tag, an dem ich erfuhr, wer ich bin. Und vor allem, warum ich so bin. Eigentlich hätte ich mich nun befreit fühlen sollen. Doch es kam anders. Und darauf wurde ich von niemandem vorbereitet – weder von Ärzten, Anlaufstellen noch Bekannten. Frei nach dem Motto: Hey, es ist ja nur eine Diagnose!
Die Konsequenzen der Diagnose
Die Konsequenzen waren jedoch sehr viel dramatischer und haben mich in ein tiefes Loch geworfen. Stellen Sie sich vor, Sie erkennen, dass Ihr ganzes Leben eine einzige Lüge war! Stellen Sie sich vor, dass Sie sich eine Persönlichkeit – das „Außen-Ich“ – für die Gesellschaft zugelegt haben! Sie erkennen, dass das nicht Sie sind!
Das „Außen-Ich“
Was ist das „Außen-Ich“? Es handelt sich dabei um meine Persönlichkeit, die ich mir angeeignet habe, um mit der Gesellschaft zu interagieren. Irgendwie hat das etwas Schizophrenes. Sobald ich meine Wohnung verlassen habe, war ich nicht ich. Ich war das „Ich“, das die Gesellschaft haben wollte und was von mir erwartet wurde. So habe ich mich der Gesellschaft angepasst. Mehr als 40 Jahre lang. Manchmal erfolgreicher, manchmal weniger. Fettnäpfchen-Bingo war tagtäglich angesagt. Es war nicht einfach nur eine „Maske“, es lag sehr viel tiefer. Ich war ein anderer Mensch da draußen. Eine andere Persönlichkeit.
Die Identitätskrise
Nach der Diagnose habe ich erkannt, dass es eine einzige Lüge war, was ich da draußen gelebt habe. Ich habe erkannt, dass ich mich angepasst, ja regelrecht verbogen, mich komplett verstellt habe, nur um akzeptiert zu werden. Als Konsequenz dieser Erkenntnis ist dieser Teil meiner Persönlichkeit gestorben. Von einer Sekunde auf die nächste war dieser Teil einfach tot. Ich bin in eine tiefe Identitätskrise gefallen: Wer bin ich überhaupt? Was bin ich? Warum habe ich mir das angetan? Und wozu das Ganze?
Die Wahrheit über Freundschaften
Ich erkannte, dass selbst meine Freunde nicht zu mir passen. Der einzige Mensch, der mich so gesehen hat und mit mir so interagiert, wie ich bin, ist meine liebe Frau. Allerdings auch nur, weil sie ähnlich ist wie ich. In vorherigen Partnerschaften habe ich mit meinem „Außen-Ich“ interagiert. Nichts war echt. Alles, was mit Menschen zu tun hatte, war größtenteils eine einzige Lüge, ein großes Schauspiel.
Der Weg zur Authentizität
Die Autismus-Diagnose war auch ein Weg zur wahren Identität und Authentizität. Viele Menschen werden in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren auf mich zukommen und mir sagen, dass ich mich verändert habe. Das stimmt so nicht. Vielleicht für sie, nicht für mich. Ich bin jetzt ICH. So, wie ICH bin. Ihr habt es nur nie bemerkt und mich so nie zu Gesicht bekommen.
Ein Appell zur Authentizität
In diesem Sinne: Bleiben Sie Sie selbst und immer authentisch. Es fühlt sich einfach besser an!
Disclaimer:
Die Beiträge bilden nur meine Meinung ab. Sie haben Ihre eigene – großartig! Wir können alle Freunde sein.