You are currently viewing Normal behandelt werden – Wer gibt Ihnen das Recht dazu?
Photo by Ezra Jeffrey-Comeau on Unsplash

In meinem Facebook-Feed wurde ein Beitrag angezeigt, welcher mich wieder darin bestätigt hat, wie egoistisch der Mensch handelt. Wehe, etwas oder jemand ist nicht normal. Dann ist aber Geburtstag.

Immer wieder lese ich, dass auch Kinder mit speziellen Bedürfnissen “normal” behandelt werden wollen und man solle diese gefälligst in Gruppen integrieren. “Aber das muss sie/er lernen!” und ähnliche Sätze höre ich immer wieder. Was soll das? Warum sollen sich Menschen mit einer Behinderung ums verrecken normal verhalten? Hey, Leute, es ist einfach so, dass es andere gibt. Ich bin anders, ich bin nicht normal. Nur weil man zu wissen meint, wie man mit den “Anderen” umzugehen hat, heisst das noch lange nicht, dass es auch so richtig ist.

Mehr noch, wer gibt Ihnen das Recht, uns andere “normal” zu behandeln, ohne die Betroffenen nach deren Bedürfnissen zu fragen? Ich will keine laute Musik, weil mir diese Schmerzen bereitet. Ich will keine Umarmungen, weil ich keine Nähe ertrage. Ich will keine grossen gesellschaftlichen Anlässe, weil ich Panik kriege. Ich will keinen Smalltalk, weil ich diesen nicht verstehe. Ich will keine Küsschen auf die Wange, weil mich dies graust. Ich kann nicht zwischen den Zeilen lesen. Ich kann keine Gefühle in Gesichtern erkennen (https://rogerkern.blog/autismus-meine-erste-abklaerungssession/). Es geht nicht. Indem ich “normal” behandelt werde, fügt man mir Schmerzen zu und quält mich.

Oft höre ich an dieser Stelle, dass ich ganz schön verbittert sei. Das entspricht nicht der Wahrheit. Heute teile ich meine Bedürfnisse und meine Defizite nur frei Schnauze heraus mit. Wenn ich mitteile, dass ich keine Umarmungen mag, wird das oft so interpretiert, dass ich arrogant sei. Das habe ich so jedoch nie gesagt (https://rogerkern.blog/ich-ecke-an/). Es ist schlicht und einfach eine Tatsache, dass ich dies nicht möchte. Das hat nichts mit meinem Gegenüber zu tun, ob ich die Person mag oder nicht. Es ist schlicht nur ein Grundbedürfnis meinerseits. Möchten Sie vielleicht stundenlang bei Computerprozessoren Unterschiede in der Beschriftung, Steppings, Herstellungsort, usw. usf. katalogisieren? Oder stunden-, manchmal tagelang darüber nachdenken, wer wir sind? Tagelang Briefmarken der Farbe nach, anschliessend dem Wert und am Schluss anhand der Länder sortieren? Mir machen solche Dinge sehr viel Spass. Für die meisten von Ihnen wäre es der blanke Horror, dies tagelang zu tun. So haben Sie Ihre Stärken und ich meine. Gemeinsam könnten wir viel erreichen, wenn ich mich nicht “normal” verhalten soll, sondern ganz so sein darf, wie ich bin.

Lustig sind dann die Zeitgenossen, die fordern, dass ich mich doch auch anpassen solle. Wie denn? Mir fehlen gewisse Fähigkeiten. Niemand verlangt von einer querschnittgelähmten Person, dass diese auf einen Baum klettern soll. So ist es auch bei mir. Wie soll ich mich anpassen, wenn ich Gesichter gar nicht lesen kann? Wenn ich Nähe nicht ertrage? Mich laute Geräusche so erschrecken, dass ich einige Stunden lang Kopfschmerzen habe? Ich schlicht nicht zwischen den Zeilen lesen kann?

Es ist wie so oft: Ich lasse Ihnen Ihr Leben. Lassen Sie mich einfach so, wie ich bin. Wenn Sie sich nicht sicher sind, dann fragen Sie. Fragen Sie aber bitte mich und nicht irgendwelche Menschen mit sehr viel Meinung und wenig Ahnung. Ich bin hier, ich kann sprechen und bin nicht dumm (dass selbst Ärzte in eine Kleinkindersprache verfallen, wenn eine ASS-Diagnose da ist, ist ein Thema für einen weiteren Beitrag), ich habe ganz einfach nur ein anderes Betriebssystem.

In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Geduld mit meinen speziellen Bedürfnissen. Sie erleichtern mir mein Leben ungemein und Ihres gleich mit, da ich Ihnen so nicht auf die Nerven gehe.

Disclaimer:
Die Beiträge bilden nur meine Meinung ab. Sie haben Ihre eigene – grossartig! Wir können alle Freunde sein.