You are currently viewing Es geht doch! Rücksicht bei Autismus.
Foto von Patty Brito auf Unsplash

Für Menschen wie mich ist der Gang zu einer Arztpraxis eine Qual. Deshalb habe ich seit vielen Jahren keinen festen Hausarzt oder Hausärtztin. Erst, wenn nichts mehr geht, begebe ich mich dorthin. Nach vielen Jahren habe ich mich wieder dazu durchgerungen, mich bei einer Praxis zu melden.

14 Tage lang habe ich mit mir gerungen, mich anzumelden. Ja, solange kann sich eine einfache Entscheidung hinziehen, wenn es um mich selbst geht. In der Firma oder bei anderen Personen bin ich in der Lage, innerhalb von Sekunden die richtige Entscheidung zu treffen. Nicht so bei mir selbst. Alles muss zehnfach hinterfragt werden, 2 Millionen Möglichkeiten von Antworten und Fragestellungen müssen erst in meinem Kopf durchgespielt werden, bis ich mich dazu durchringe, eine einfach Mail zu schreiben. Gesagt, getan.

“Rufen Sie doch kurz an, dann können wir Sie hinterlegen.” Das war die erste Antwort. Ich antwortete, dass ich Autist sei und sich dies nicht so einfach gestalten würde. Ob ich vorbei kommen solle, fragte ich. Die Antwort überraschte mich: Das sei nicht nötig, ich könne alle Angaben per Mail durchgeben. Oha. Da geht jemand auf Patienten ein, selbst bei der Kontaktaufnahme. Kein Theater, keine Ausreden, einfach jemand, der seinen Job erledigt. Es könnte so einfach sein.

Es kommt sogar noch besser, halten Sie sich fest. Nachdem ich angemeldet war, fragte mich meine Kontaktperson,  ob ich einen Termin benötige. Sie könne selbstverständlich auch eine Randzeit vereinbaren, wenn ich Mühe mit vielen Menschen hätte. Halleluja! Eine Randzeit! Dieser Vorschlag wurde mir angeboten, ohne dass ich etwas in diese Richtung erwähnt habe. Einfach so.

Ich bin wirklich dankbar, dass ich an diese Praxis gelangt bin. Genau diese Menschen halten die Welt am Laufen. Menschen mit grossartigen Charaktereigenschaften und Werten: der Pfleger, der zuhört und noch kurz die Hand hält. Der Busfahrer, der noch kurz wartet, wenn es mal wieder knapp ist. Die Kassiererin, die beim Selfscanning kurz auf die Sachen aufpasst, weil man vergessen hat, die Grapefruit abzuwiegen. Selbst eine Kleinigkeit kann das Leben einer anderen Person signifikant verändern.

Herausfallen würden diejenigen, welche mit 40 die Rente im Sinn haben oder mit 30 keine Ausbildung mehr anfangen, weil der Job ja auch so bequem ist.

In diesem Sinne, geben Sie die Hoffnung nicht auf. Es gibt sie noch, die Menschen, die da draussen ihren Job mit Herz und Enthusiasmus leben und mitdenken. Es könnte so einfach sein mit unserem Miteinander. Vielen Dank auch an dieser Stelle an diese Person: Sie haben mein Leben ein bisschen leichter gemacht.

Disclaimer:
Die Beiträge bilden nur meine Meinung ab. Sie haben Ihre eigene – grossartig! Wir können alle Freunde sein.