Du betrachtest gerade Gastbeitrag: Eine Momentaufnahme
Photo by krakenimages on Unsplash

Warten in der Testschlange

Testen während der Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022: Wir stehen in der Schlange zum Testen. Für meinen Mann und mich ist das inzwischen ein bekanntes Prozedere, denn als binationales Paar ist das Testen eine Bedingung, damit wir uns sehen können.

Allerdings gilt das auch nur, weil wir in Schleswig-Holstein und im Emmental leben. Für Zürich und Baden-Württemberg gilt diese Regelung nicht – aber darauf möchte ich hier gar nicht eingehen.

Eine lange Warteschlange in der Kleinstadt

Wir stehen also hier in einer Kleinstadt mitten in der Schweiz in der Schlange zum Testen. Und die Schlange ist lang – und sie wird im Laufe der Wartezeit immer länger. Vor uns steht eine schöne Frau, schick gekleidet in den neuesten Herbstfarben. Hinter uns ein gepflegter Mann mit einer modernen Jacke. Weiter vorne warten vier junge Mädchen, vermutlich möchten sie am Wochenende ihre Freunde treffen. Zwischendrin sehe ich Handwerker, Paare und Männer mittleren Alters. Alles Menschen wie du und ich. Alles ist friedlich, hier und da entstehen Gespräche und es wird gelacht. Es fehlen nur die Buden, dann könnte es fast die Atmosphäre eines Weihnachtsmarktes sein.

Langsames Vorankommen und Hilfsbereitschaft

Es geht nur langsam voran. Irgendwann erreichen wir den QR-Code zur Registrierung. Der gepflegte Mann hinter uns hilft einer älteren Dame bei der digitalen Herausforderung. Der Eingang ist in Sicht. In Dreiergruppen geht es hinein. Die Test-Organisatorin hat sich entschieden, den Spucktest (PCR-Test) anzubieten. „So haben wir kein Verletzungsrisiko wie beim Nasentest“, sagt sie, denn sie möchte nur das Beste für die Menschen, die sich einem Test unterziehen müssen.

Angst vor dem Test

Wir sind an der Reihe: Anmelden und bezahlen. Nun der Test. Ich habe Angst, das Erlebte aus den vergangenen Monaten ist noch nicht verarbeitet. Die letzte Probe im Testzentrum des Spitals war der blanke Horror, als die Pflegekraft das Stäbchen bis zur Hirnrinde durchgestoßen und dabei gefaucht hat: „Nicht zurückziehen!“

Ein freundliches Team

Dieses Mal ist das Team freundlich und mitfühlend. Nach 15 Sekunden ist alles vorbei und die Speichelprobe fertig für das Labor. Das Testen während der Pandemie war jedes Mal ein Spiessrutenlauf.

Menschen warten auf einen Hauch Normalität

Es ist kurz vor 18:00 Uhr, das Testzentrum schließt gleich. Draußen warten noch ca. 100 Menschen, um mit dem Test für ein bis zwei Tage ein normales Leben führen zu können. Diesen Menschen muss nun mitgeteilt werden, dass sie heute nicht mehr getestet werden können. Dabei haben wir nichts getan, wir sind sogar gesund. Wir möchten unsere Partner sehen, unsere Eltern im Seniorenheim besuchen oder einfach eine schöne Zeit mit Freunden verbringen. Doch das ist heutzutage nicht einfach so möglich.

Angriffe und Unverständnis

Die Test-Organisatorin wird angefeindet, das Schaufenster ihres Kosmetikstudios ist mit übelsten Parolen beschmiert. Am Sonntag werde ich 55 Jahre alt, und ich war immer dankbar, in Frieden und Freiheit zu leben und den Zweiten Weltkrieg nicht miterlebt zu haben. Heute sehe ich eine andere Art von Krieg – ohne Waffen. Doch geschossen wird trotzdem – gegen friedliebende Menschen und den gesunden Menschenverstand.

Was ist aus unserer Welt geworden?

Was für eine Welt ist das geworden!

Gastbeiträge:
Hier publizieren Autorinnen und Autoren mit Expertise und Erfahrung zu bestimmten Themen Gastbeiträge. Diese müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.